Rede zur Änderung des Nahverkehrsgesetzes

Die CDU fordert, den Finanzierungsvorbehalt im Gesetz zu streichen. Denn dieser ist „verfassungswidrig und deshalb aufzuheben“. Das habe ich im Plenum nochmals ausführlich erläutert:

Hier können Sie meine Rede auch nochmal in Textform nachlesen:

Sehr geehrter Herr Präsident,

mit Ihrer Erlaubnis beginne ich mit einem Zitat:

„(..) jeglicher Leistungsfähigkeitsvorbehalt widerspricht dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Rechtsinstitut der Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung“. Das ist das Ergebnis der Prüfung des Sachverständigen Manfred Stamm; er war Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz.

Das ist auch die Auffassung der CDU-Landtagsfraktion und bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg waren, als wir den Gesetzentwurf eingebracht haben, den wir heute beraten.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen,

beginnen wir am Anfang: In der letzten Sitzungswoche der vergangenen Legislatur im Januar 2021 hat dieses Haus ein neues Nahverkehrsgesetz beschlossen. Darin waren einige interessante und auch positive Punkte enthalten. Das wollen wir nicht bestreiten. Einer dieser Punkte ist die Definition des öffentlichen Personennahverkehrs als Pflichtaufgabe der Kommunen als Aufgabenträger. Das war schon damals auch eine Forderung der CDU.

Doch dann sollten die Verfasser etwas finden, damit das Land ja nicht mehr bezahlen muss. Und so kam es zur „Pflichtaufgabe in den Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit“.
So eine Formulierung gab es noch nie. Weder in Rheinland-Pfalz noch in einem anderen Bundesland ist eine solche Einschränkung jemals definiert worden. Damit haben die Ampel-Koalitionäre einen völlig unbestimmten neuen Rechtsbegriff geschaffen. Und wo etwas nicht genau bestimmt ist, schafft es zuvorderst eines: Verunsicherung. Aber egal. Ampel in Rheinland-Pfalz. Wir machens einfach.

Schon damals und bis heute haben wir als CDU wie auch die Kommunen, die Verbände und die Verkehrsunternehmen gesagt: Diese Einschränkung muss fallen. Denn wenn die Kommunen gerade in Zeiten knapper Kassen nicht wissen, welche Kosten durch die Aufsichtsbehörden genehmigt oder gar durch Landeszuschuss übernommen werden, dann haben wir einen „ÖPNV nach Kassenlage“.

Meine Damen und Herren, das wollen wir nicht!

Wir stehen mit dieser Meinung im Übrigen nicht alleine. Im Gegenteil: Von sieben Sachverständigen war kein Einziger der Meinung, dass Ihre Formulierung im Gesetz verbleiben sollte. Die Koblenzer Verkehrsbetriebe „halten den CDU-Antrag (…) für in der Sache richtig“, „Die rnv GmbH befürwortet die beantragte Änderung des Nahverkehrsgesetzes“, der Verkehrsverbund Rhein-Mosel verweist darauf, dass die Verbünde schon bei der ursprünglichen Gesetzesberatung genau vor diesem „ÖPNV nach Kassenlage“ gewarnt haben.

Der Landkreistag hat uns in der Anhörung noch einmal klar die Kostensteigerungen der letzten Jahre vor Augen geführt: So wird das durch den ÖPNV und den Schülerverkehr verursachte Defizit von 2017 bis 2023 von 45 Millionen auf rund 223 Millionen steigen. Das ist eine Mehrbelastung der kommunalen Aufgabenträger um rund 180 Millionen oder 390 Prozent. Deshalb fordern viele von Ihnen auch zusätzliches originäres Landesgeld für den ÖPNV. Auch wenn wir darüber heute nicht beraten: Die Kommunen und ihre Unternehmen als Auftragserfüller haben recht!

Ein Teil der großen Defizite in den Landkreisen und kreisfreien Städten resultiert aus dem Schülerverkehr. Deshalb ist hier der richtige Ansatzpunkt für eine weitere Entlastung der Kommunen. Unseren Vorschlag für ein kostenloses Schülerticket durch das Land haben Sie vom Tisch gewischt, meine Damen und Herren. Dann sorgen Sie aber wenigstens dafür, dass Ihr Koalitionsvertrag umgesetzt wird und ein „365-Euro-Ticket“ als vom Land unterstütztes Angebot endlich kommt. Diesen und weitere Vorschläge für einen attraktiven und modernen ÖPNV haben wir in unserem Entschließungsantrag zusammengetragen.

Das absolute Minimum einer Unterstützung der Landkreise und kreisfreien Städte ist es, zumindest die Zahlungen des Landes für die Schülerverkehre auch für das Deutschland-Ticket zu garantieren. Ganz ehrlich: Eigentlich ist es eine Frage des Anstands, hier so schnell wie möglich Klarheit zu schaffen. Deshalb haben wir dazu kurzfristig einen weiteren Entschließungsantrag vorgelegt.

Wenn das Land eine Aufgabe definiert, muss es auch dafür sorgen, dass ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Dazu ist unser heutiger Gesetzesvorschlag nur ein erster Schritt. Trotzdem wäre es richtig, wenn wir ihn heute gemeinsam gehen. Es ist spät, aber noch nicht zu spät. Springen Sie heute über Ihren Schatten und folgen Sie unserer Initiative und damit dem Wunsch aller Beteiligten am Nahverkehr. Lassen Sie uns wenigstens ein kleines Zeichen setzen, dass es uns ernst ist mit der Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs. Bevor eine Befürchtung der Aufgabenträger noch wahr wird und Züge und Busse abbestellt werden müssen, weil schlicht die Haushaltsmittel nicht genehmigt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

lassen Sie mich nur kurz noch einen Aspekt beleuchten, der nicht direkt Thema unseres heutigen Gesetzentwurfes ist. Aber er zeigt wie unter einem Brennglas die Probleme beim ÖPNV in Rheinland-Pfalz: Wir brauchen endlich den Landesnahverkehrsplan! Denn erst wenn im ganzen Land klar ist, was die Mindestausstattung an Nahverkehrsleistung ist, wissen alle Beteiligten auch klar, welche Angebote als Pflichtaufgabe ohne Wenn und Aber finanziert werden müssen.

Nach unserem ständigen Mahnen von dieser Stelle aus hat der Beteiligungsprozess nun endlich begonnen. Aber schon wieder werden die Zielmarken verschoben. Mittlerweile hört man, dass der finale Entwurf nicht zum Jahresende, sondern erst 2024 vorliegen könnte. Genau das falsche Signal: Wir brauchen ein schnelleres Verfahren und keine weiteren Verzögerungen Frau Ministerin Eder!

Aber es passt zur Aussage des VDV in der Anhörung. Ich zitiere: „Rheinland-Pfalz hat auch im Vergleich zu anderen Bundesländern Nachholbedarf, was den ÖPNV angeht. In den letzten Jahrzehnten war darin nicht so der Drive… Da muss einfach mehr passieren, um wirklich eine Mobilitätswende im Land voranzubringen.“ Zitat Ende. Eine bittere Abrechnung mit Ihrer Verkehrspolitik. Nur über einen guten ÖPNV zu reden reicht nicht. Es muss dann halt auch schon mal was umgesetzt werden.

Durch ständige Verzögerungen wie beim Nahverkehrsplan schaffen Sie weitere Verunsicherung bei den Akteuren im ÖPNV. Die Finanzierungsfragen müssen endlich geklärt werden. Die Aufgabenträger dürfen nicht weiter mit den explodierenden Kosten im Regen stehen. Und es bedarf klarer und rechtssicherer Regelungen. Deshalb ist es so wichtig, den Finanzierungsvorbehalt aufzuheben.

Lassen Sie mich nochmals in den Worten des Sachverständigen Stamm zusammenfassen: „Weil die Wahrnehmung von Pflichtaufgaben unabhängig von der Leistungsfähigkeit erfolgen muss, ist dieser Leistungsfähigkeitsvorbehalt (…) verfassungswidrig und deshalb aufzuheben.“

Gehen Sie nicht so leichtfertig wie im Ausschuss über diese Ausführungen, die es an Klarheit nicht mangeln lassen, hinweg. Stimmen Sie unserem Antrag zu, der Rechtssicherheit schaffen würde. „Verfassungswidrig und deshalb aufzuheben“

Vielen Dank.